Franz Erhard Walther, 'Dreizehn Handlungsformen', 2015
13 Werkstücke, einige Meetingräume, 3.-9. OG, Bauteil A-F
Für einige Meetingräume in den Büroetagen des Erste Campus hat Franz Erhard Walther ein „Gesamt-Kunstwerk“ geschaffen, das aus dreizehn einzelnen Arbeiten besteht. Es handelt sich hier um aus Baumwollstoffen gefertigte, rechteckige Formen, die nach Vorgabe des Künstlers mit kräftigen Farben wie Orange, gebranntem Umbra, Weinrot, Blau oder Hellgrün eingefärbt wurden.
In diese Objekte sind „Körperformen“ im gleichen Material befestigt. Es sind Arm- und Beinformen, halbierte Mantel-, Westen- und Anzugsformen, sowie halbe Körperumfassungen. „In der Betrachtung“, so Franz Erhard Walther, „können die Arbeiten als plastische Bilder oder bildhafte Plastiken gesehen werden, dabei ist die Handlung zu imaginieren“.
Der Mitarbeiter und die Mitarbeiterin des Erste Campus können sowohl vor als auch in den Arbeiten Franz Erhard Walthers stehen. Es ist möglich, eine der „Körperformen“ oder „Körperummantelungen“ auszuwählen, zu entnehmen, anzuziehen und sich damit im Raum oder in den Arbeitsräumen zu bewegen. Franz Erhard Walther erklärt damit die aktive Teilnahme des Betrachters und der Betrachterin zum konstitutiven Teil seiner künstlerischen Arbeit. „Werden“, so Franz Erhard Walther, „die Körperformen oder Körperummantelungen entnommen und am Körper angesetzt, so sind die Akteure / Akteurinnen als Teil des Werkes zu sehen. In der Bewegung wird das Werk in den Raum erweitert“. Der Betrachter und die Betrachterin können sich aber auch vor „die leeren Segmente stellen. Sie bilden damit eine Zwischenform, die dem Bild- und Skulpturencharakter der Arbeiten eine weitere Definition hinzufügt“. Durch diese Möglichkeit der Interaktion werden die „Dreizehn Handlungsformen“ Franz Erhard Walthers für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Erste Campus zu einer Einladung, sich vorübergehend aus ihrem Arbeitsalltag herauszunehmen und an der Gestaltung des Werkes mitzuwirken. Diese vermeintlich vereinfachten Formen der Handlung, die in der Handhabung der Elemente und Positionierung zu den Wandformen bestehen, sind die Übertragung einer (künstlerischen) Verantwortung auf den Einzelnen. In dieser Geste liegt nicht weniger als eine Aufforderung zur Reflexion der eigenen Handlung auf der Basis eines Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten und Entscheidungen.
Franz Erhard Walther, geboren 1939, lebt und arbeitet in Fulda. Er hat seit den frühen 1960er Jahren die Definition dessen, was Skulptur sein kann, grundlegend verändert und wurde damit zu einem der bedeutendsten und einflussreichsten Künstler für nachfolgende Generationen. Mit der Beteiligung des Betrachters und der Betrachterin am künstlerischen Prozess entwickelte er eine neue Beziehung zwischen Raum, Körper, Skulptur und Handlung. Werke von Franz Erhard Walther waren in bedeutenden Ausstellungen, wie unter anderem im Museum of Modern Art in New York, documenta 5, 6, 7, 8 in Kassel, Museum of Contemporary Art, Los Angeles, in der Wiener Secession, Museum of Contemporary Art, Chicago, in der Tate Modern, London, in der Hamburger Kunsthalle, im Museum für Angewandte Kunst, Wien, in der Nationalgalerie Berlin, im Museu d’Art Contemporani, Barcelona, im ZKM, Karlsruhe, im Drawing Room, London, in der Dia Art Foundation, New York, im Wiels, Brüssel und im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid, zu sehen.
Text: Kathrin Rhomberg & Pierre Bal-Blanc